Deutschland braucht eine Wasserstoffinfrastruktur. Denn eine effiziente, sichere, bezahlbare und klimaneutrale Energieversorgung wird nur mit dem Einsatz von Wasserstoff möglich sein. Gerade für die Einbindung von volatilen erneuerbaren Energiequellen und eine jederzeit bedarfsgerechte Versorgung ist eine leistungsfähige überregionale Wasserstofftransportinfrastruktur unerlässlich.
Die Fernleitungsnetzbetreiber (FNB) zeigen mit dem Wasserstoffnetz 2030 (kurz: H2-Netz 2030) Lösungen auf, wie zeitnah Transportbedarfe bei einer dynamischen Entwicklung des Wasserstoffmarktes überregional erfüllt werden können.
Im Vergleich zum sogenannten „Startnetz“, das die FNB im vergangenen Jahr im Rahmen des Netzentwicklungsplan Gas 2020-2030 (NEP Gas) vorgelegt hatten, ist das H2-Netz 2030 deutlich umfangreicher und berücksichtigt nunmehr auch das in der Nationalen Wasserstoffstrategie festgelegte deutlich höhere Mengenziel für die nationalen Wasserstoffbedarfe in einer Größenordnung von 90 bis 110 TWh.
Durch die Vernetzung von Produzenten und Verbrauchern kann in naher Zukunft mit dem Aufbau einer leitungsgebundenen Wasserstofftransportinfrastruktur begonnen werden.
Grundlagen des H2-Netzes 2030
Die FNB haben ihre Szenarienbetrachtungen und Planungen für das zukünftige Wasserstofftransportnetz im Frühjahr 2020 begonnen. Grundlage ist ein gemeinsam mit dem Beratungsunternehmen 4Management auf der Basis der anerkannten dena Leitstudie I (TM95) entwickeltes Szenario für die Erzeugung und Nutzung von Wasserstoff in Deutschland.[1]
Das Szenario beinhaltet neben der Prognose für 2050 auch Energieverbrauchsmengen für das Jahr 2030. Die Netzbetreiber haben auf Basis dieser Verbrauchswerte eine Netzplanung für die Jahre 2030 und 2050 durchgeführt. Bis 2030 wird davon ausgegangen, dass sich der leitungsgebundene Transport von Wasserstoff maßgeblich aus den Wasserstoffbedarfen der Industrie in den Sektoren Stahl, Chemie sowie Raffinerien ergibt.
Kenngrößen des H2-Netzes 2030
Das H2-Netz 2030 ist etwa 5.100 km lang, von denen rund 3.700 Leitungskilometer auf umgestellten Gasleitungen basieren.
Das dem H2-Netz 2030 zu Grunde liegende Szenario beinhaltet einen Wasserstoffbedarf von 71 TWh (Heizwert). Im Bedarf enthalten sind die energetische sowie die stoffliche Wasserstoffnutzung. Wasserstoffmengen, die als Teil von Prozessketten auf der Basis von Methan im Jahr 2030 voraussichtlich noch zum Einsatz kommen werden, sind in den angenommenen Wasserstoffbedarfen nicht enthalten.
In der Simulation wurde eine Spitzenabnahme von rund 10 GWh/h Wasserstoff über das H2-Netz 2030 transportiert. Mengen im Bereich Verkehr und Wärme werden vermutlich zu diesem Zeitpunkt größtenteils (noch) nicht über das Fernleitungsnetz transportiert werden, sondern überwiegend dezentral erzeugt.
Die Investitionskosten bis zum Jahr 2030 belaufen sich auf etwa 6 Mrd. Euro. Die Schätzung beinhaltet die Investitionskosten für Transportleitungen inklusive Verdichter, die für den überregionalen Transport notwendig sind.
Disclaimer: Bei den Karten handelt es sich um eine schematische Darstellung von Leitungstrassen, in denen auch mehrere Leitungen parallel verlaufen können. Leitungstrassen, in denen sowohl umgestellte Leitungen als auch Neubauleitungen parallel verlaufen, werden als Umstellungen dargestellt.
Details der H2-Netzplanung
Das H2-Netz 2030 basiert auf einer strömungsmechanischen Netzsimulation. Dafür haben die FNB konkrete Ein- und Ausspeiseleistungen an allen Ein- und Ausspeisepunkten des zukünftigen Netzes festgelegt, wozu eine Regionalisierung der Leistungen aus dem Szenario für den Industriebereich durchgeführt wurde. Basis dafür waren im Fall der chemischen Industrie und der Raffinerien die verfügbaren aktuellen Produktionsmengen an den Standorten, die durch Pipelines bis 2030 erreicht werden können. Bei den Leistungen der Stahlindustrie wurden u.a. die Bedarfsmeldungen der Unternehmen im Rahmen der Marktabfrage zur Grüngasvariante des NEP Gas 2020-2030 berücksichtigt, da diese schon oberhalb der verwendeten Studie lagen.
In den Simulationen wird der zukünftige Wasserstoffbedarf primär über Importe gedeckt. Basis für die Kapazitäten an den Ländergrenzen war die Einschätzung über das Wasserstoff-Erzeugungspotential der verschiedenen Erzeugungsregionen. Basierend auf dem angestrebten Ausbau der Power-to-Gas-Anlagen in der Nationalen Wasserstoffstrategie wurden 5 GW Elektrolyseleistung im Jahr 2030 in Deutschland eingeplant, die primär im norddeutschen Raum angesiedelt sind.
Für die Auslegung des Netzes berücksichtigten die FNB verschiedene Lastszenarien in Abhängigkeit der Verfügbarkeit von erneuerbarer Energie und der bestehenden angebundenen Kavernenspeicher.
Ausblick
Die FNB arbeiten im aktuellen Netzentwicklungsplan Gas 2022-2032 an einem Wasserstofftransportnetz für das Jahr 2032, das, anders als das szenarienbasierte H2-Netz 2030, bedarfsorientiert modelliert wird. Basis für das H2-Netz 2032 werden die Ergebnisse der konkreten Marktabfrage von Wasserstofftransportbedarfen (WEB – Wasserstofferzeugung und Bedarf). Aufgrund der unterschiedlichen Herangehensweise (bedarfs- vs. szenarienbasiert), werden die beiden Netze Unterschiede aufweisen. Insbesondere kann die Verzahnung mit dem Gas nur im Rahmen des NEP Gas erfolgen.
Die Planungen am Netz 2030 leisten eine gute Vorarbeit für den NEP Gas 2022-2032. Gleichzeitig stellen die FNB mit ihrer detaillierten szenariobasierten Analyse auf der Basis von Netzsimulationen wichtige Grundlagen bereit, um bereits jetzt die politischen Weichen für eine leistungsfähige überregionale Wasserstofftransportinfrastruktur zu stellen und die frühen Möglichkeiten zur Dekarbonisierung durch Nutzung von Wasserstoff zu realisieren.
[1] FNB Gas (2021): Szenariorahmen zum NEP Gas 2022-2032, S.39