Energiewende

Deutliche Kosteneinsparung durch Nutzung der Gasinfrastruktur

  • Nutzung der Gasnetze spart um 2050 jährlich 12 Mrd. Euro ein
  • Stärkung der Versorgungssicherheit und der Flexibilität auf dem Weg zur Erreichung der Klimaschutzziele der Bundesregierung
  • Reduzierung des Stromnetzausbaus im Übertragungsnetz um 40% und im Verteilnetz um 60% durch Nutzung der Gasnetze
  • Sektorübergreifende Kopplung von Strom- und Gasnetzen ist der Schlüssel für ein effizientes, zukunftsfähiges und bezahlbares Energiesystem

MANAGEMENT SUMMARY 

Fragestellung: Welchen dauerhaften Beitrag kann die Gasinfrastruktur für das zukünftige Energiesystem auf Basis erneuerbarer Energien leisten? 

Deutschland hat sich ambitionierte Klimaschutzziele gesetzt: Bis 2050 sollen die Treibhausgasemissionen um 80 bis 95% gegenüber 1990 verringert werden. Klare politische Maßgabe ist dabei, dass ein Großteil der erforderlichen Treibhausgasreduktion durch die Nutzung von erneuerbar erzeugtem Strom in den Sektoren Wärme, Verkehr und Industrie erreicht werden soll. Offen ist noch die Frage, wie zukünftig der Energietransport von der Erzeugung bis zum Endverbraucher sowie die Energiespeicherung erfolgen sollen, insbesondere welche Rolle die Gasinfrastruktur zukünftig spielen wird. Heute beträgt der jährliche Verbrauch von Gas in Deutschland – bisher zum Großteil Erdgas und zum Teil Biogas – 601 TWh, das entspricht etwa 24% des gesamten Endenergiebedarfs in Deutschland. Im Wärmesektor beträgt der Anteil von Gas sogar 45%. 

Vor diesem Hintergrund hat die Vereinigung der Fernleitungsnetzbetreiber (FNB Gas e.V.) Frontier Economics, IAEW, 4 Management und EMCEL beauftragt abzuschätzen, welche Kostenwirkung eine langfristige Weiternutzung der Gasinfrastruktur für den Transport von aus erneuerbaren Energien erzeugtem Gas („Grünes Gas“) auf das Energiesystem hat. Als Stichjahr wird dabei das Jahr 2050 betrachtet.

Szenarien: Gegenüberstellung von Energiesystemen 2050 mit und ohne Nutzung von Gasinfrastruktur Hierzu analysieren wir drei Szenarien für 2050: 

  • „Nur Strom“ – Die Endverbraucher nutzen überwiegend elektrische Endanwendungen wie Wärmepumpen und Elektroautos („unmittelbare Elektrifizierung“), die Verbindung zwischen Stromerzeugung und Endenergienutzung erfolgt allein durch Stromnetze und –speicher (daher „Nur Strom“). Die Gasinfrastruktur (sowohl Speicher als auch Leitungen) werden in diesem Szenario langfristig nicht mehr benötigt.
  • „Strom und Gasspeicher“ – Endverbraucher nutzen analog zum Szenario „Nur Strom“ überwiegend elektrische Endanwendungen. Die Speicherung basiert jedoch nicht allein auf Basis von Stromspeichern: Es besteht die Möglichkeit, Strom in Gasform zwischen zu speichern und in Gaskraftwerken zu rückverstromen („Power-to-Gas-to-Power, PtGtP). Der Energietransport in der Fläche findet weiterhin strombasiert statt. Gastransport- und Verteilnetze werden – anders als Gasspeicher – in diesem Szenario nicht mehr benötigt.
  • „Strom und Grünes Gas“ – In diesem Szenario basiert ein Teil der Endanwendungen auf Grünem Gas, welches in Power-to-Gas (PtG)-Anlagen in Deutschland auf Basis erneuerbar erzeugten Stroms erzeugt wird („mittelbare Elektrifizierung“). Endsprechend wird parallel zum Stromnetz die bestehende Gasinfrastruktur zum Energietransport weiterhin genutzt.

Um eine vollständige Vergleichbarkeit sicherzustellen, wird dabei in allen Szenarien von einem Erreichen der ambitionierten Klima-Ziele der Bundesregierung mit einer Reduktion der Treibhausgasemission von 95% gegenüber 1990 ausgegangen, was letztlich eine nahezu vollständige Dekarbonisierung des Elektrizitäts-, Wärme- und Verkehrssektors bedingt. Zudem wird in allen Szenarien ein einheitlicher Bedarf an Nutzenergie (d.h. die letztlich konsumierte Energie) unterstellt. 

Ergebnis: Einbeziehung der Gasinfrastruktur senkt Kosten der Dekarbonisierung und erhöht Akzeptanz und Versorgungssicherheit der Energiewende 

Durch Grünes Gas unterstützt die Gasinfrastruktur die Erreichung der Klimaschutzziele.

Zur Erreichung der ambitionierten Klimaschutzziele der Bundesregierung kann Grünes Gas – also entweder aus erneuerbarem Strom synthetisch erzeugtes Gas („Power-to-Gas“) oder natürlich erzeugtes Biogas – einen wertvollen Beitrag leisten. Dabei ist es wichtig zu verstehen, dass bei der Endnutzung von Grünem Methan zwar CO2-Emissionen anfallen, diese Menge von CO2 jedoch bei der Herstellung des synthetischen Gases vollständig der Umwelt entnommen wurde, und die Nutzung somit insgesamt – ähnlich wie auch bei der Nutzung von Biomasse – klimaneutral ist. 

Entsprechend werden die Klimaschutzziele von 95% THG-Reduktion bis 2050 gegenüber 1990 – bzw. sogar 99% in den Sektoren Energie, Verkehr und Wärme – in allen Szenarien gleichermaßen vollständig erreicht. Die Form des Weitertransports, d.h. die Frage, ob dem Endkunden die Energie in Form von Elektrizität oder gasförmig als Grünes Gas bereitgestellt wird, ist für die Klimabilanz unerheblich.

Ohne Energiespeicherung in Gasspeichern gelingt Versorgung der Verbraucher in Wintern und kalten Dunkelflauten per se nicht.

Die hohe Saisonalität der resultierenden Stromnachfrage bei Elektrifizierung der Wärmebereitstellung und die Dargebotsabhängigkeit von Strom aus Wind und Sonne stellen das zukünftige Energiesystem vor enorme Herausforderungen. Stromspeicher wie Pumpspeicherkraftwerke oder Batterien können Energie nur über kurze Zeiträume bzw. in geringen Mengen speichern. Daher ist ein „Nur Strom“-System ohne die Nutzung von Gasspeichern für den saisonalen Ausgleich und die Überbrückung von kalten Dunkelflauten prohibitiv teuer bzw. unrealistisch, wie kürzlich auch in anderen Studien wie z.B. Enervis (2017) oder Energy Brainpool (2017) gezeigt wurde. Bereits eine überschlägige Rechnung1 zeigt, dass bei einer nahezu vollständigen Dekarbonisierung durch direkte Elektrifizierung Stromspeicher mit einem Speichervolumen von ca. 35 TWh benötigt werden. Im Vergleich hierzu: Das Speichervolumen in Stromspeichern (primär in Pumpspeicherkraftwerken) beträgt zurzeit etwa 0,04 TWh. Es wäre daher mehr als das 800-fache des aktuellen Stromspeichervolumens nötig, um die Saisonalität des Wärmemarktes und die Differenzen zwischen Angebot und Nachfrage auszugleichen.

Daher ist das Ziel der vorliegenden Studie nicht, die – mittlerweile als unstrittig anzusehende – grundsätzliche Notwendigkeit von Gas als saisonalem Energiespeicher gegenüber einem „Nur Strom“-Szenario nachzuweisen. Stattdessen analysieren wir den potentiellen Beitrag, den ein Energietransport „in der Fläche“ durch Gasnetze zusätzlich zu der reinen Zwischenspeicherfunktion liefern kann. Der Fokus der Analysen liegt daher auf einem Vergleich der Szenarien „Strom und Gasspeicher“ und „Strom und Grünes Gas“.

Nutzung von Grünem Gas bei Endverbrauchern spart Systemkosten durch vermiedenen Stromnetzausbau und günstigere Endanwendungen.

Unsere Analysen zeigen, dass die Weiternutzung der Gastransportund -verteilnetze zur Versorgung von Endkunden mit Grünem Gas (Szenario „Strom und Grünes Gas“) deutliche Kostenvorteile gegenüber einer Welt ohne Nutzung der Gasnetze (Szenario „Strom und Gasspeicher“) bietet.  

In Summe ergeben sich um das Jahr 2050 Gesamteinsparungen in Höhe von ca. 12,0 Mrd. EUR pro Jahr (real in Werten 2015). Diese Einsparungen reflektieren unter anderem vermiedene Investitionen in Stromnetze und Endanwendungsgeräte von rund 268 Mrd. EUR bis zum Jahr 2050 (undiskontiert).

Zur Ermittlung der Kostenunterschiede haben wir auf Basis von umfassenden Strommarkt- und Stromnetzmodellierungen die Auswirkungen einer Gasnetznutzung mit Grünem Gas auf die gesamte Wertschöpfungskette, also die Stromerzeugung, die Umwandlung, den Strom- und Gastransport, die Energiespeicherung und die Endanwendungen analysiert.

Treiber für die Gesamtkosteneinsparungen einer Gasnetznutzung von insgesamt 12,0 Mrd. EUR pro Jahr:

  • geringere Kosten bei gasbasierten Endanwendungen (10,0 Mrd. EUR pro Jahr um 2050), vor allem im Wärmesektor; sowie
  • Einsparungen durch erheblich geringeren Stromnetzausbaubedarf (6,3 Mrd. EUR pro Jahr um 2050) in Folge der Gasnetznutzung. 

Diese Kosteneinsparungen von 16,3 Mrd. EUR kompensieren deutlich die zusätzlichen Kosten

  • für den Erhalt und die teilweise Umstellung der Gasnetze (0,1 Mrd. EUR pro Jahr um 2050); sowie
  • für die aufgrund von Umwandlungsverlusten notwendige zusätzliche Stromerzeugung und die Power-to-Gas-Anlagen (4,2 Mrd. EUR pro Jahr um 2050). 

Nutzung von Gasinfrastruktur reduziert Bedarf von Stromnetzausbau substanziell und erhöht somit die Akzeptanz der Energiewende erheblich.

Bereits heute zeichnet sich ein Akzeptanzproblem bei der Energiewende ab, das über die Zeit noch erheblich zunehmen wird. Zwar wird der Ausbau Erneuerbarer Energien als weitgehend positiv empfunden, gegen den Ausbau von Stromnetzen gibt es jedoch immer wieder erheblichen Widerstand. Die Folge dessen sind starke Verzögerungen beim Ausbau der Stromtransportnetze. Der darüber hinaus in den kommenden Jahren erforderliche Ausbau der Stromverteilnetze ist noch gar nicht in den Fokus der Öffentlichkeit gerückt. 

Als Alternative zum Stromnetzausbau bietet sich die Nutzung der existierenden Gastransportinfrastruktur an. Unsere Stromnetzmodellierungen zeigen, dass eine Nutzung der Gasnetze Stromnetzausbau im Umfang von 17.800 km im Übertragungsnetz (gegenüber 35.000 km heutiger Leitungslänge inkl. der Umsetzung aller Maßnahmen im NEP Strom, welche in beiden Szenarien als umzusetzen angenommen werden) und über 500.000 km im Verteilnetz (gegenüber 1,7 Mio. km heutiger Leitungslänge) obsolet macht. Da die Gasnetze bereits existieren und unterirdisch verlegt sind, können sie wesentlich zur Akzeptanz der Energiewende beitragen.

Einbeziehung der Gasnetze trägt erheblich zur Versorgungssicherheit des Energiesystems bei.

Die Weiternutzung der existierenden Gasnetze ermöglicht einen Zugang zum internationalen Gastransportnetz und somit den Zugang zu internationalen Gasquellen und Speichern, einschließlich Quellen von Grünem Gas in anderen Ländern. Dies erhält die vorhandene hohe Integration der deutschen Energieversorgung mit der Energieversorgung anderer Länder und führt so zu einer sehr hohen Versorgungssicherheit für den deutschen Endkunden, da Versorgungsengpässe in einzelnen Regionen durch diversifizierte Bezugsquellen aufgefangen werden können.

Hierbei steht es offen, ob der internationale Gasaustausch nur zur Absicherung von kritischen Versorgungssituationen genutzt wird oder ob Grünes Gas als Energieträger genutzt wird, um Erneuerbare Energie aus anderen Ländern zu importieren oder Stromüberschüsse zu exportieren. Hiermit ließen sich auch Lieferquellen für Grünes Gas mit weit geringeren Gestehungskosten für den deutschen Markt erschließen. In den zuvor angeführten Kostenanalysen gehen wir von der konservativen Annahme aus, dass das erforderliche Grüne Gas vollständig in Deutschland erzeugt werden muss. Eine Aufweichung dieser Annahme würde die Kosten des Szenarios „Strom und Grünes Gas“ nochmals signifikant reduzieren.

Die Weiternutzung der existierenden Gasinfrastruktur inklusive der existierenden Gasspeicher führt darüber hinaus zu dem Mehrwert umfangreicher Speichermöglichkeit für die erneuerbar erzeugte Energie.

Downloads

PDF Studie: Der Wer der Gasinfrastruktur für die Energiewende in Deutschland
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