gat 2016 in Essen
Gemeinsame Verbändeerklärung der Gas-, Heizungs- und Bauwirtschaft
Führende Vertreter der deutschen und europäischen Gaswirtschaft diskutieren vom 8. bis 10. November 2016 auf dem Branchenleitkongress gat intensiv über die Rolle des Energieträgers Gas in der Energiewende. Die in Politik und Öffentlichkeit noch immer zu wenig bekannten Potenziale der Gasinfrastruktur zur Integration, Speicherung und zeitunabhängigen Bereitstellung erneuerbarer Energie stehen dabei im Fokus.
Zur Eröffnung der gat haben heute zehn Verbände der deutschen Gaswirtschaft sowie der Heizungs- und Bauindustrie in einer gemeinsamen Erklärung, die an den Aufruf der Gaswirtschaft vom 28. Oktober 2016 zum Klimaschutzplan 2050 anschließt, an die Politik appelliert, die Potenziale von Gas bei der Reduzierung von CO2-Emissionen stärker zu berücksichtigen.
Der weltweite Klimaschutz ist eine der größten gesellschaftlichen Herausforderungen unserer Zeit. Entscheidend ist, dass wir das Klima schnell und nachhaltig schützen, ohne dabei die gesellschaftliche Akzeptanz durch ökonomische Verwerfungen zu gefährden. Die erneuerbaren Energien sind ein wichtiges Klimaschutz-Instrument und müssen durch intelligente Vernetzung mit der bestehenden Infrastruktur zunehmend mehr Verantwortung für eine sichere Energieversorgung übernehmen. Um die Herausforderungen der Energiewende zu bewältigen, sollten wir verschiedene Klimaschutztechnologien miteinander verknüpfen. Dieser Wettbewerb ist die Grundvoraussetzung, um die Klimaschutzziele versorgungssicher und wirtschaftlich zu erreichen.
Das Potenzial der Gaswirtschaft muss bei der Energiewende stärker berücksichtigt werden. Die Gaswirtschaft bietet mit Gas nicht nur einen klimafreundlichen und flexiblen Energieträger, der sich als Backup für die erneuerbaren Energien eignet. Sie bietet einen Energieträger, der perspektivisch zu 100 Prozent regenerativ hergestellt und damit vollständig grün werden kann. Statt Energieträger kategorisch in gute erneuerbare und schlechte fossile einzuteilen, sollten wir uns an ihrem Beitrag zu einer effizienten Klimawende orientieren. Die Beimischung von grünen Gasen wird aus fossilem Erdgas langfristig regeneratives Gas machen, das klimaneutral ist. Darüber hinaus bietet die Gasinfrastruktur erhebliches Speicherund Transportpotenzial. Mit der Power-to-Gas-Technologie kann der Stromnetzausbaubedarf gedämpft werden – mit einer Infrastruktur, die bereits vorhanden und einsatzbereit ist.
Die unterzeichnenden Verbände bekräftigen ihre Unterstützung der nationalen und internationalen Klimaschutzziele. Die deutsche Klimapolitik hat sich für die Entwicklung der Treibhausgasemissionen klare Ziele gesetzt: Gegenüber 1990 sollen bis 2020 mindestens 40 Prozent weniger CO2 emittiert werden, bis 2050 sollen 80 bis 95 Prozent Reduktion erreicht sein. Drei Jahre vor der ersten Zielmarke wird deutlich, dass die Klimaziele 2020 voraussichtlich nicht erreicht werden.
Vor diesem Hintergrund plädieren die Unterzeichner für eine Technologieoffenheit, die diesen Namen auch verdient. Sie fordern die Hinwendung zu einer ausgewogenen Betrachtung der klimapolitischen und volkswirtschaftlichen Vorteile aller innovativen Energien. Das Potenzial von Gas und dessen Infrastrukturen in der Energie- und Klimawende wird bisher nicht annähernd ausgeschöpft. Dabei ist Gas prädestiniert dafür, die Rolle als Systempartner der erneuerbaren Energien im Energiesystem der Zukunft einzunehmen. Dank vielfältiger Versorgungsalternativen (Pipelines & Schiffe) bietet Gas langfristig stabile und niedrige Preise und sichert damit die Konkurrenzfähigkeit deutscher Firmen und energieintensiver Technologien. Zudem bietet die Gasinfrastruktur dringend benötigte Potenziale zur Integration, Speicherung und zeitunabhängigen Bereitstellung erneuerbarer Energie.
Sektorenkopplung // Power-to-Gas
Die Energiewende braucht leistungsstarke Langzeit-Stromspeicher, die in der Lage sind, saisonale Verschiebungen und große Volatilitäten zu bewältigen. Die Gasinfrastruktur hat sie bereits: Power-to-Gas und Biomethan sind die einzig bekannten Technologien, die das leisten können. Sie erfüllen aber mehr als nur die Stromspeicherfunktion. Power-to-Gas und Biomethan bieten auch die Möglichkeit, Energie effizient zu transportieren und erneuerbar erzeugten Strom in den Segmenten Wärme, Mobilität und Industrie bedarfsgerecht zu verwerten. Damit werden die bestehenden Gasnetze und Gasspeicher zu echten Energiewende-Infrastrukturen. Sie sind systemisch komplementär zu einem von erneuerbaren Energien geprägten Stromsektor und stellen somit die physikalisch-technische Plattform für eine umfassende Dekarbonisierung bereit. Gleichzeitig bieten sie wichtige Flexibilisierungsoptionen und können zur Optimierung des Infrastrukturausbaus beitragen. Jetzt muss der Fokus zunehmend auf die Entwicklung wettbewerblicher Geschäftsmodelle und eines marktanreizenden ordnungsrechtlichen Rahmens gelegt werden. Dazu muss eine Power-to-Gas-Anlage in ihrer Funktion als Überschussstromsenke und Kopplungselement als Netzausbaumaßnahme anerkannt werden. Gas und Erneuerbare sind damit in der Lage, Deutschland sicher, wirtschaftlich sowie umwelt- und sozialverträglich mit Wärme, Strom und in der Mobilität zu versorgen.
Energieeffizienz // Gas im Wärmemarkt
Nur ein Drittel der 21 Millionen Heizungen in Deutschland entspricht dem Stand der Technik. Weniger als ein Fünftel nutzt Brennwerttechnik und erneuerbare Energien. Rund ein Drittel des Endenergieverbrauchs Deutschlands entfällt auf Heizung und Warmwasserbereitung. Würde der veraltete Anlagenbestand zum Beispiel durch Brennwerttechnik in Kombination mit erneuerbaren Energien modernisiert, könnten 15 Prozent des Endenergieverbrauchs in Deutschland und dazu korrespondierende CO2-Minderungspotenziale erschlossen werden. Diese Zahlen zeigen: Ein zentraler Schlüssel zum Erreichen der Klimaschutz- und Energiewendeziele liegt in der Modernisierung des Heizungsbestandes. Durch technisch einfach zu realisierende Maßnahmen der Heizungsmodernisierung könnten in Deutschland jedes Jahr rund 20 Millionen Tonnen CO2 eingespart werden. Würden zehn Millionen veraltete Heizkessel durch moderne Gastechnologie ersetzt und davon bei zehn Prozent Biomethan verwendet, könnten sogar Einsparungen von bis zu 45 Millionen Tonnen CO2 jährlich erreicht werden. Über die bestehende Gasinfrastruktur können ohne signifikanten Ausbau bereits heute die 20 Millionen Haushalte, die an das Gasnetz angeschlossen sind, sofort an den Effizienz- und Klimaschutzpotenzialen durch moderne Gastechnologien teilhaben. Die Politik muss bei der Heizungsmodernisierung mehr Tempo machen und wirksame Anreize setzen. Fördermittel sollten am Kriterium der Energieeffizienz ausgerichtet werden. Die Pläne zur steuerlichen Abschreibung von Sanierungskosten sollten schnellstmöglich wieder aufgegriffen und umgesetzt werden. Ein Ausstieg aus dem Gas wäre klimapolitisch das falsche Signal, weil es die effizientesten, günstigsten und meisterverkauften Heizungstechnologien in Deutschland betreffen würde. Zudem sind die Potenziale der heutigen Gasheizungen noch lange nicht ausgereizt. Sie können als Hybridsysteme in Kombination mit erneuerbaren Energien wie Erdwärme Motor für weitere Technologieentwicklungen sein. Die Digitalisierung der Heiztechnik erschließt darüber hinaus weitere Effizienzpotenziale.
Stromerzeugung // Gaskraftwerke
In Deutschland steht durch den Zubau hocheffizienter Gaskraftwerke in den letzten zehn Jahren mit 22 Gigawatt etwa die gleiche Stromerzeugungskapazität aus Gas wie aus Braunkohle bereit. Mit der Substitution der emissionsintensiven Braunkohle in der Stromerzeugung durch Gas lassen sich die CO2-Emissionen sofort um rund 70 Prozent senken – ohne Neubau zusätzlicher Kapazitäten. Eine Substitution von zehn Prozent Braunkohlestrom durch Gas in Gaskraftwerken und KWK-Anlagen entspricht bis zu zehn Millionen Tonnen CO2- Reduzierung. Das Jahr 2016 zeigt, dass sich die Auslastung der deutschen Gaskraftwerke wegen günstiger Beschaffungskosten im Vergleich zu 2015 bereits verbessert hat. So wird Klimaschutz in der Stromerzeugung bezahlbar. Daher ist es erforderlich, vorhandene Kapazitäten in den Gaskraftwerken verstärkt einzusetzen.
Dezentrale Energieerzeugung // Kraft-Wärme-Kopplung
Neben der Power-to-Gas-Technologie gibt es weitere wichtige verbindende Elemente zwischen Strom- und Gasnetzen. Gasbetriebene Anlagen der Kraft-Wärme-Kopplung (KWK) sind flexibel steuerbar und können wesentlich zur Stromnetzstabilität beitragen. Die KWKAnlagen können als Mini-Blockheizkraftwerke direkt Strom und Wärme bereitstellen oder auch in nahezu beliebiger Skalierung in Wärmenetze eingebunden werden und bieten hier zusätzliche Flexibilitätsoptionen in der Strom- und Wärmeversorgung. Durch die gleichzeitige Erzeugung von Strom und Wärme leisten sie regelmäßig einen wichtigen Beitrag zur Primärenergieeinsparung und CO2-Reduktion. Die gasbetriebene KWK kann allein im Mikround Quartierssegment 70 Prozent der 2050 zu erwartenden Residuallast im Stromsektor abfahren. Neue dezentrale KWK-Technologien – etwa im Bereich der Brennstoffzelle, die seit dem 1. August 2016 durch ein Förderprogramm staatlich bezuschusst wird – haben schon heute elektrische Wirkungsgrade von rund 60 Prozent und Gesamtwirkungsgrade von bis zu 90 Prozent. KWK kann zudem übermäßige (und kostenintensive) Gebäudedämmung reduzieren – bei gleichem Klimaschutzpotenzial. Intelligente Konzepte zur Nutzung der Wärme, nicht nur für die Heizung oder Trinkwassererwärmung, sondern auch für die Klimatisierung, können die Wirkungs- und Nutzungsgrade der Kraft-Wärme-Kopplung deutlich erhöhen.
Gasmobilität // CNG & LNG
Mit Gas kann in der Mobilität ein deutlicher CO2-Emissonsvorteil wirtschaftlich erreicht werden; durch die Beimischung von Biomethan verbessert sich dieser Klimavorteil noch weiter. Derzeit fahren fast 100.000 Fahrzeuge mit CNG (Compressed Natural Gas) auf Deutschlands Straßen. Diese können bundesweit an rund 1.000 CNG-Tankstellen tanken. Dadurch werden jedes Jahr etwa 323.000 Tonnen klimaschädliches CO2 eingespart. Durch eine zunehmende Beimischung von Biomethan wird die CO2-Bilanz der Gasfahrzeuge weiter verbessert. Bereits heute zeigen Serienfahrzeuge mit Gasantrieb (CNG), dass künftig Emissionsziele ohne Mehrkosten zu erreichen sind. Die Fahrzeuge sind verfügbar, die Tankstelleinfrastruktur ebenso. Neben CNG bietet der alternative Kraftstoff Flüssigerdgas (Liquefied Natural Gas = LNG) erhebliches Potenzial bei der Dekarbonisierung des Transportsektors. Insbesondere im Schwerlastverkehr zu Land und zu Wasser punktet LNG mit deutlichen Emissionsvorteilen: Im Vergleich zu Diesel werden hier Emissionen von Feinstaub um fast 100 Prozent, von Stickoxid um 80 bis 90 Prozent sowie der CO2-Ausstoß um fast 25 Prozent reduziert. Darüber hinaus sind LNG-Trucks wesentlich leiser als vergleichbare Fahrzeuge mit Dieselmotor. Gerade bei der Anlieferung von Waren in den urbanen Zentren tragen LNG betriebene Lkw zu einer Halbierung der Lärmemissionen bei. Die Bundesregierung hat diese Potenziale erkannt und für das Jahr 2020 das Ziel eines Erdgas-Anteils von vier Prozent am Energieverbrauch des Mobilitätssektors formuliert.
Biomethan
Bereits 2030 können rund 11 Milliarden Kubikmeter Biomethan unter Berücksichtigung der Anforderungen an den vorsorgenden Gewässerschutz sowie der Energieeffizienz nachhaltig erzeugt werden. Diese Menge kann durch eine gezielte Einspeisung in das Gasnetz im Wärmemarkt, in der Kraft-Wärme-Kopplung und als Treibstoff einen signifikanten Beitrag zum Klimaschutz leisten. Durch die bereits heute mögliche technische Optimierung der Biogasanlagen lässt sich die Effizienz deutlich steigern. Neue Aufbereitungsverfahren erlauben den Einsatz von Substraten, die nicht in Konkurrenz zu Nahrungsmitteln stehen und die die Biodiversität in der Landwirtschaft steigern. Insgesamt ist durch das Repowering der Anlagen und durch die Kopplung der biologischen Methanisierung einer Biogasanlage mit Power-toGas-Anlagen eine Steigerung der Effizienz um den Faktor 2 bis 3 möglich.
EU-Emissionshandelssystem
Das europäische Emissionshandelssystem (EU ETS) ist ein Schlüsselelement des politisch induzierten Zusammenwachsens eines europäischen Gasmarktes. Es bietet die Chance, Klimaschutz mit wirtschaftlichen Maßnahmen zu verknüpfen. Die 2015 angestoßene Reform des EU ETS zur Verknappung der Emissionszertifikate soll die wirtschaftlichen Anreize stärken, den Ausstoß von Treibhausgasen dort zu senken, wo es am effizientesten ist. Die spezifisch geringen Treibhausgas-Emissionen und die flexiblen Einsatzmöglichkeiten bieten für Gas gute Voraussetzungen.
FAZIT:
Mit Gas für eine effiziente Klimawende! Die Energiewende ist eines der wichtigsten Projekte unserer Zeit. Es ist von großer Bedeutung, dass der gesellschaftliche Konsens, Klimaschutz leisten zu wollen, erhalten bleibt. Dazu müssen die vorhandenen Ressourcen effizient eingesetzt und so die Gesamtkosten möglichst geringgehalten werden. Durch die konsequente Nutzung und Weiterentwicklung der vorhandenen Gasinfrastrukturen, durch Technologieoffenheit sowie durch gezielte Anreize für die Verbraucher lassen sich die Ziele der Energiewende kurz-, mittel- und langfristig zu von der Gesellschaft akzeptierten Kosten erreichen. Gas und die Gasinfrastruktur können damit einen wichtigen Beitrag zur gesellschaftlichen Akzeptanz der Energiewende leisten. Die Politik sollte ihre Maßnahmen stärker am Kriterium der Klimaeffizienz ausrichten und Innovationen fördern, die kostengünstig den größten Fortschritt für das Klima bringen und bisher getrennte Versorgungsstrukturen miteinander vernetzen.
Die deutsche Gaswirtschaft ist bereit, ihren Beitrag zu einer klimaeffizienten vernetzten Energieversorgung zu leisten, heute und im Jahr 2050. Hierzu muss der Rahmen so gesetzt werden, dass die Gasinfrastruktur genutzt und weiterentwickelt werden kann – für eine verlässliche, nachhaltige und kostengünstige Energieversorgung in den Bereichen Strom, Wärme und Mobilität.
Wenn Klimaeffizienz zum harten Kriterium wird, spielt Gas eine zentrale Rolle in der Klimaund Energiewende: Weil vorhandene Gaskraftwerke problemlos und ohne zusätzliche Investitionen der flexible Partner der erneuerbaren Energien sind. Weil dezentrale Blockheizkraftwerke Strom und Wärme bedarfsgerecht bereitstellen können. Weil Gasfahrzeuge im Vergleich mit Benzin- und Dieselantrieben wettbewerbsfähig sind – und noch dazu eine deutlich bessere Klimabilanz vorweisen können. Weil mit modernen Gasheizungen für wenig Geld große Fortschritte bei der Emissionsminderung erzielt werden, wenn sie überholte Technologien ablösen. Weil Gas die internationale Wettbewerbsfähigkeit zahlreicher energieintensiver Industrien am Standort Deutschland auch langfristig sichern kann und so der Verlagerung dieser Industrien und einer Vergrößerung des carbon footprint nachhaltig entgegenwirkt. Und weil der Energieträger Gas nicht nur durch seine Speicherfähigkeit der ideale Partner der fluktuierenden erneuerbaren Energien aus Wind und Sonne ist, sondern mit Biomethan und Power-to-Gas stufenlos auf einem robusten Pfad regenerativ umgestellt werden kann. Gas kann grün!
Die Verbändeerklärung wird getragen von:
- Biogasrat e.V.
- Bundesverband der Deutschen Heizungsindustrie e.V. (BDH)
- Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft e.V. (BDEW)
- Bundesvereinigung der Firmen im Gas- und Wasserfach e.V. (FIGAWA)
- Deutscher Verein des Gas- und Wasserfaches e.V. (DVGW)
- Fachverband Biogas e.V.
- Hauptverband der Deutschen Bauindustrie e.V.
- Initiative Erdgasspeicher e.V. (INES)
- Rohrleitungsbauverband e.V. (rbv)
- Vereinigung der Fernleitungsnetzbetreiber Gas e.V. (FNB Gas)