Beitrag für Stiftung Energie & Klimaschutz
Wasserstoff-Kernnetz: der lang erhoffte Aufbruch in die Wasserstoffwirtschaft
Das Wasserstoff-Kernnetz ist der Startschuss für den Wasserstoffhochlauf. Es löst das so genannte Henne-Ei-Problem und schafft eine Infrastruktur auf deren Basis sich der Wasserstoffmarkt entwickeln kann. Die FNB arbeiten mit Hochdruck an der Planung, damit noch in diesem Jahr die Umsetzung beginnen kann
Deutschland braucht eine Wasserstoffinfrastruktur. Für die Einbindung volatiler erneuerbarer Energien und eine jederzeit bedarfsgerechte Versorgung ist eine leistungsfähige überregionale Wasserstofftransportinfrastruktur unerlässlich. Auch die Veränderungen auf dem Gasmarkt infolge des russischen Angriffskrieges auf die Ukraine machen deutlich, wie dringend wir den Hochlauf der Wasserstoffwirtschaft brauchen, damit die deutsche Industrie auf den globalen Märkten wettbewerbsfähig und Energie für alle sicher und bezahlbar bleibt. Die Weiternutzung der Gasinfrastruktur ist keine Festlegung auf die Weiternutzung fossiler Energien, sondern im Gegenteil Voraussetzung für einen effizienten und damit sozialverträglichen Klimaschutz. Wo heute Erdgas fließt, können morgen Wasserstoff und andere grüne Gase fließen.
Klarer Auftrag an die FNB
Die Fernleitungsnetzbetreiber (FNB) beschäftigen sich bereits seit 2019 mit der Entwicklung der Wasserstoffinfrastruktur. Jedoch haben die fehlenden Festlegungen für Finanzierung und Netzplanung in der Übergangsregulierung für Wasserstoffnetze lange den Einstieg in eine bestätigungsfähige Netzplanung unmöglich gemacht. Erst mit ihrer Initiative zur Novellierung des Energiewirtschaftsgesetzes (EnWG) hat die Bundesregierung im Frühjahr 2023 die wesentlichen regulatorischen, kartellrechtlichen und netzplanerischen Grundlagen geschaffen. Die Regelungen enthalten einen klaren Auftrag an die FNB, ein überregionales Wasserstoff-Kernnetz zu entwickeln. Mitte Juli hat der FNB Gas e.V., der Zusammenschluss der deutschen Fernleitungsnetzbetreiber, den ersten Planungsstand veröffentlicht.
Das Kernnetz ist ein politisches Netz mit dem Zieljahr 2032
Innerhalb weniger Wochen wurde im Vorfeld der Veröffentlichung gemeinsam mit der Bundesnetzagentur und dem Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz ein Szenario für das Kernnetz abgestimmt, in das die Erkenntnisse und Informationen aus zuvor bereits durchgeführten FNB-Abfragen der Transportbedarfe eingeflossen sind. Der neue § 28r EnWG der EnWG-Novelle bildet die Grundlage für das Szenario des Wasserstoff-Kernnetzes, das durch eine veröffentlichte Kriterienliste konkretisiert wurde. Dieses Szenario hat steuernde Funktion für das Kernnetz und liegt der Modellierung durch die FNB zugrunde. Ziel ist es, ein deutschlandweites, ausbaufähiges, effizientes und schnell realisierbares Wasserstoffnetz zu entwickeln, um wesentliche Wasserstoff-Produktionsstätten und potenzielle Importpunkte mit den Wasserstoff-Verbrauchsschwerpunkten und Wasserstoffspeichern zu verbinden
Laut Kriterienliste sollen im Kernnetz schwerpunktmäßig IPCEI-Projekte (Important Projects of Common European Interest) und PCI-Projekte (Projects of Common Interest) berücksichtigt sowie die Einbindung in ein europäisches Wasserstoffnetz sichergestellt werden. In das Kernnetz aufgenommen werden außerdem Reallabore der Energiewende zu Wasserstofftechnologien. Im Bereich der Industrie werden Projekte aufgenommen, die Industriezweigen zuzuordnen sind, die aus heutiger Sicht alternativ zur Wasserstoffnutzung keine sinnvolle Option zur Dekarbonisierung des Industrieprozesses haben. Dazu gehören u.a. Eisen und Stahl, Chemie, Raffinerien, Glasindustrie, Keramik und Ziegelprodukte. Das Wasserstoff-Kernnetz soll zudem ausreichende Anschlussmöglichkeiten für Erzeugungsregionen und Elektrolyseure gewährleisten. Die zu berücksichtigende Einspeiseleistung von Elektrolyseuren soll im Einklang mit der Nationalen Wasserstoffstrategie stehen. Zudem erfasst das Kernnetz große Kraft-Wärme-Kopplungs-Standorte, für die ein Weiterbetrieb unter der Nutzung von Wasserstoff wahrscheinlich ist.
Auch die regionale Ausgewogenheit des Kernnetzes ist ein wichtiges Kriterium. Bestehende Bedarfe auf der Verteilernetzebene, welche die Kriterien des vorgegebenen Szenarios erfüllen, werden kapazitiv in der Planung für das Kernnetz berücksichtigt. Darüberhinausgehende Bedarfe sollen im Rahmen des zukünftigen Regelprozesses für eine integrierte Netzplanung (Wasserstoff und Erdgas) Eingang finden.
In Summe werden im Szenario für das Wasserstoff-Kernnetz insgesamt 309 Wasserstoffprojekte mit einer Einspeiseleistung von 101 GWth und einer Ausspeiseleistung von 87 GWth berücksichtigt.
Vom Planungsstand zum finalen Entwurf des Kernnetzes
Der im Juli veröffentlichte Planungsstand des Kernnetzes enthält Leitungen mit einer Länge von rund 11.200 km (siehe Karte). Es handelt sich jedoch noch nicht um den finalen Entwurf des Wasserstoff-Kernnetzes. Der Planungsstand zeigt zunächst verschiedene Lösungsvarianten für die Erfüllung der Transportaufgaben auf. Die dargestellten Trassenvarianten werden bis zur Antragstellung weiter optimiert.
Mit der Veröffentlichung wurde auch anderen potenziellen Wasserstoffnetzbetreibern die Gelegenheit gegeben, zusätzliche Infrastrukturen in die Planung des Kernnetzes einzubringen. Diese Infrastrukturen müssen technisch geeignet sein, Wasserstoff auf der Fernleitungsebene sicher zu transportieren, und sie müssen einen Beitrag zu der Transportaufgabe leisten, die sich aus dem Szenario ergibt. Die Optimierung führt im Ergebnis zum finalen Entwurf des Wasserstoff-Kernnetzes, welches die FNB der BNetzA im Rahmen eines gemeinsamen Antrags voraussichtlich im Spätherbst vorlegen werden. Die FNB gehen davon aus, dass das finale Wasserstoff-Kernnetz kleiner als der im Sommer dargestellte Planungsstand ausfällt.
Was noch zu tun ist
Wichtig ist, dass bis zur Bestätigung des Kernnetzes ein kapitalmarktfähiges Finanzierungsmodell vorliegt, das für den Wasserstoff-Hochlauf deutschlandweit einheitliche und verträgliche Netzentgelte erlaubt und den Netzbetreibern ermöglicht, die Finanzierung zum Aufbau des Kernnetzes zu stemmen.
Quelle: Stiftung Energie & Klimaschutz (25.09.2023)