Wir organisieren den Gastransport. Die deutschen Fernleitungsnetze bilden mit einer Länge von ca. 40.000 km das Rückgrat des Gastransportsystems in Deutschland.
Durch die Rohre der Fernleitungsnetzbetreiber mit Durchmessern bis zu 140 Zentimetern werden große Gasmengen mit hohem Druck von bis zu 100 bar transportiert. Hinzu kommt der Transit von Erdgas durch Deutschland in angrenzende EU-Staaten. Verdichterstationen in Abständen zwischen 100 und 200 Kilometern sorgen dafür, dass der Druck über diese weiten Entfernungen stabil bleibt. Fernleitungsnetzbetreiber nehmen das Gas an einem Eintrittsort an der deutschen Grenze entgegen. Dies kann zum Beispiel ein Grenzübergangspunkt (GÜP) an der Grenze zwischen Deutschland und Polen oder den Niederlanden sein. Von dort wird das Gas ins deutsche Transportnetz eingespeist und durch unterirdisch verlegte Rohrleitungen in die jeweilige Region transportiert, in der es gebraucht wird.
Das deutsche Gastransportnetz unterscheidet sich aus historischen Gründen strukturell von anderen europäischen Transportnetzen. Die Netze wurden nicht primär staatlich organisiert, sondern sind über viele Jahrzehnte regional privatwirtschaftlich zusammengewachsen. Während in Deutschland aktuell 16 Fernleitungsnetzbetreiber den Gastransport organisieren, sind es in Österreich sieben, in Frankreich zwei und in den Niederlanden und Großbritannien jeweils nur einer.
Den rechtlichen Rahmen für den Gastransport bilden das EnWG und eine Reihe von Verordnungen
Die Fernleitungsnetzbetreiber gewähren allen Gaslieferanten diskriminierungsfreien Zugang zu ihren Transportnetzen. Damit schaffen sie die Voraussetzungen für einen funktionierenden Wettbewerb im deutschen Gashandel. Mit der zweiten Novelle des Energiewirtschaftsgesetzes (EnWG) trat 2005 das Modell des regulierten Netzzugangs in Kraft. Der Netzzugang wird geregelt durch die Kooperationsvereinbarungen der deutschen Gasversorger (KoV) und die Geschäftsbedingungen der Fernleitungsnetzbetreiber. Den rechtlichen Rahmen bilden neben dem EnWG die Gasnetzzugangsverordnung (GasNZV) und die Gasnetzentgeltverordnung (GasNEV).
Der Zugang zum Fernleitungsnetz wird über das „Entry-Exit-Modell“ organisiert. Das System funktioniert in Deutschland auf der Grundlage der Zusammenlegung der Versorgungsgebiete mehrerer Fernleitungsnetzbetreiber zu einem Marktgebiet. Gaslieferanten schließen mit den jeweiligen Ein- bzw. Ausspeisenetzbetreibern Verträge ab, in denen die jeweiligen Kapazitäten an den Ein- und Ausspeisepunkten festgelegt werden. Automatisch steht damit auch ein virtueller Handelspunkt zur Verfügung. Dort können Gasmengen virtuell übergeben bzw. übernommen werden. Sowohl für die Einspeisung als auch die Entnahme der Gasmenge fällt ein Entgelt an. Da der Einspeisung und Entnahme keine physische Wegstrecke zugrunde liegen, ist das Entgelt unabhängig vom Transportpfad und der Entfernung. Nur die Energiemenge der vertraglich vereinbarten Ein- und Ausspeisekapazitäten zählt.
Die Grundlage für die Netzentgelte des Gastransports bilden die durch die BNetzA im Rahmen der Anreizregulierung festgelegten individuellen Erlösobergrenzen für die Fernleitungsnetzbetreiber. In der Erlösobergrenze erkennt die BNetzA jene Kosten an, die dem Netzbetreiber zu Erfüllung seiner gesetzlichen Aufgaben entstehen. Diese Kosten gehen in einen Effizienzvergleich ein und sind der Ausgangspunkt für die Bestimmung der angemessenen Erlöse.
Eine Vielzahl der in Deutschland geltenden Regulierungsvorschriften haben ihren Ursprung auf Europäischer Ebene. Grundlegende Änderungen für die Gaswirtschaft brachte 2009 das dritte Energiebinnenmarktpaket zur „Beschleunigung der Liberalisierung des Gasmarktes“ durch die Trennung des Netzbetriebes von den anderen Wertschöpfungsstufen (Erzeugung, Handel und Vertrieb), das so genannte „Unbundling“. Außerdem wurde eine Neuordnung der Bedingungen für den Zugang zu den Erdgasfernleitungsnetzen (Erdgaszugangsverordnung: VO 715/2009) angestoßen, indem die Europäische Kommission beauftragt wurde, verbindliche Netzkodizes zu erlassen. Die Netzkodizes setzen technische Regeln für einen diskriminierungsfreien Netzzugang und zur Stärkung des Europäischen Binnenmarktes. Außerdem kam es zur Etablierung einer „Vereinigung“ der europäischen Fernleitungsnetzbetreiber ENTSOG (European network of transmission system operators for gas). Aufgabe von ENTSOG ist die Überwachung der Umsetzung der Netzkodizes sowie Erarbeitung eines Europäischen zehnjährigen Netzentwicklungsplans (Ten-Year Network Development Plan (TYNDP).
Das nächste Gasmarktpaket steht bereits vor der Tür. 2021 will die Europäische Kommission die rechtlichen Regelungen für den Gasmarkt vor dem Hintergrund der Herausforderungen der Energiewende bzw. des Klimaschutzes anpassen.